Sonntag, 18. März 2012

Wo bleibt die Welle?

Bei einem Tsunami ist es recht simpel. Die Erde beebt, das Wasser türmt sich auf, trifft auf die Küste, bildet eine gigantische Welle und überrollt das Land. So oder so ähnlich sehen einige Ökonomen, Journalisten und Politiker zur Zeit die Lage in der Eurozone. Durch Draghis "Bazooka" werde die Wirtschaft mit einer Flut von billigem Geld überhäuft, welche zur Blasenbildung und Inflation führt. Angstgespenste werden an die Wand gemalt, der Untergang der europäischen Wirtschaft wird orakelt und der Verlust vieler Sparmillionen und deutschen Vermögens wird prophezeit. Dabei sind diese Thesen wenig stichhaltig, kaum nachvollziehbar und selten fundiert.

Wollen wir einmal Licht ins Dunkle bringen. Die EZB hat also im Dezember 2011 und noch einmal Ende Februar die Märkte mit billigem Zentralbankgeld geflutet. Hauptanliegen dieses Unternehmens war es, die Kreditklemme in der Eurozone aufzubrechen. Dabei hat die EZB den Zentralbanken einen kurzfristigen Tender über drei Jahre zu einem Zins von lediglich einem Prozent gewährt. Die Banken griffen kräftig zu. So beschafften sich die europäischen Kreditinstitute beide Male jeweils um die 500 Milliarden Euro. Diese Tatsache ist allein schon Anstoß für nicht wenige, das Inflationsgespenst wieder einmal aus der Schublade zu hohlen. Dabei wird aber vergessen, dass wir uns immer noch in einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Phase befinden, in der die "normale" Arithmetik "Gelddrucken => Inflation" nicht gilt (hier). Das gedruckte Geld kommt kaum in der realen Wirtschaft an. Die Banken, welche nun mit frischem Zentralbankgeld versorgt wurden, verwenden dieses zur Bilanzbereinigung durch die höheren Kapitalanforderungen (1. durch Basel III und 2. durch den Abzug von Kapital aus den südeuropäischen Banken + Abschreibungen auf Staatsanleihen u.Ä.). Das heißt, dass das "gedruckte Geld" gar nicht in der Wirtschaft ankommt und somit kaum neue Blasen und Inflation auslösen kann. Desweiteren ist der Tender auf 3 Jahre begrenzt. Dadurch werden Banken dieses Geld kaum einsetzen, um die Wirtschaft mit langfristigen Krediten zu versorgen, welche erst die Auslöser für eine Blasenbildung wären. Im Anschluss an diese 3 Jahre wird das überschüssige Geld dann wohl wieder eingesammelt und die potentiellen Inflationswirkungen lösen sich wieder auf.

So auch Mark Schieritz vom Herdentrieb:
"4. Die Autoren argumentieren, dass viel Geld Spekulationsblasen erzeugt. Man kann wohl einen gewissen Zusammenhang zwischen einem exzessiven Anstieg der Kreditvergabe - und damit einem Aufblähen der breiten Geldmengenaggregate - und Preisanstiegen an den Vermögensmärkten feststellen. Aber wie die engen Aggregate alleine eine Blase auslösen soll, hat mir noch niemand überzeugend kausal nachweisen können. Irgendwann muss die Kreditmaschine angeworfen werden, sonst gibt es keine Blase."
Diese Argumentationslinie lässt sich anhand folgender Daten untermauern:

Die erste Grafik gibt die Geldmengenaggregate M1 (Bargeldumlauf plus Sichteinlagen der Nichtbanken) und M3 (M1 + Spareinlagen + Termineinlagen) an (bis Stand Januar 2012). Hier ist zu erkennen, dass diese seit 2011 mit Wachstumsraten um/unter 2% jährlich wachsen. HIerbei kann nun wirklich nicht von einer unkontrollierten Ausweitung der Geldmenge in der Eurozone gesprochen werden (das Wachstum liegt weit unter dem Trend des letzten Jahrzehnts). 
Die zweite Abbildung zeigt die Übernachteinlagen bei der EZB. Sie stehen bei derzeit über 750 Milliarden Euro. Wie schon im Dezember beschrieben, sind diese ein Anzeichen für die Unsicherheit und das Misstrauen auf dem Interbankenmarkt. Die Gelder werden lieber sicher bei der Zentralbank gelagert, als wie sonst üblich, zu höheren Zinsen anderen privaten Kreditinstituten zu leihen. Das geschaffene Geld wird also kaum zu einer Finanzierung privater Kredite verwendet. Dies lässt sich zum Beispiel auch an der privaten Kreditvergabe der Banken an Nichtbanken zeigen:




















Es wird in dieser Diskussion ja häufig behauptet, dass das geschaffene Geld eingesetzt wird um Rohstoff- oder Kreditblasen zu nähren. Jedoch sieht die Realität etwas anders aus. Die Kreditvergabe in der Euro-Zone (insbesondere auch in Deutschland) wächst kaum (siehe auch hier). Mitte der 2000er war ein reges Wachstum der Kreditvergabe im Euro-Raum zu verzeichnen. Dies lag hauptsächlich an dern Immobilienblasen in Spanien und Irland und der Konsumrally in den restlichen südeuropäischen Ländern. In Deutschland dagegen gab es kaum einen Anstieg des Kreditvolumens. Mit der Krise brach dieses Wachstum in der Eurozone ein und erhöht sich seitdem nur sehr langsam wieder. Von einem Durchsickern der losen Geldpolitik kann also keine Rede sein.

Jedoch sehen sich viele Kommentatoren in den schnell steigenden Immobilienpreisen in den Deutschen Metropolen (u.A. Berlin, Hamburg, München) in ihren Thesen bestärkt. Jedoch sind dies nur regionale Phänomene. Im Durchschnitt stagnieren die Immobilienpreise in Deutschland. Die Auslöser für die Preisrally in den Großstädten sehe ich nicht Vordergründig in der lockeren Geldpolitik der EZB.

3 Gründe sind für mich von wesentlich höherer Bedeutung:
1. Eine Unterbewertung der Immobilienpreise innerhalb des letzten Jahrzehnts. Deutschland war in den 2000ern für Anleger schlicht nicht "hip" genug. Die Immobilien an der spanischen Küste oder in Irland versprachen deutlich höhere Renditen als Altbauwohnungen in Berlin-Kreuzberg oder im Hamburger Kiez. Ein Teil der damaligen nicht-stattgefundenen Preissteigerungen werden nun nachgeholt (Matt Yglesias von slate.com hat dazu sehr gute Studien für den amerikanischen Immobilienmarkt (inkl. seinem Buch "The Rent Is Too Damn High" ) und auch einige Artikel über Berlin (z.B. hier)), in denen er beschreibt, warum es in den Großstädten zu einem starken Anstieg der Immobilienpreise in den letzten Jahren gekommen ist.
2. Werden diese Viertel jetzt zum Teil aufgehübscht bzw. erfreuen sich in der Künstler- und Intelektuellenszene wachsender Beliebtheit. Diese erhöhte Nachfrage treibt natürlich die Preise nach oben (wieder Matt Yglesias über Berlin).
3. Das zuströmende Kapital, welches aus den südeuropäischen Ländern abgezogen wird, sucht nun nach Anlagemöglichkeiten in Nordeuropa, und somit auch auf dem deutschen Immobilienmarkt. Deutsche Immobilien sind zzt. halt deutlich attraktiver als vergleichbare Geldanlagen in den kriselnden Staaten an der europäischen Peripherie. Deutschland ist aufgrund dieser Kapitalflucht mittlerweile zu einem Kapitalimporteur, trotz seines Leistungsbilanzüberschusses, geworden. Dieser Kapitalimport wird lediglich durch die Target2-Operationen der Zentralbank ausgeglichen:

(Quelle: hier)


Zusätzlich zu den oben genannten Punkten, sieht der Inflationsausblick der Bundesbank eine moderate Entwicklung der Preise von lediglich einem Anstieg von etwas über 2% (Daten der EZB für die Eurozone hier). Also alles andere als eine Überwälzung der Geldschwemme auf die reale Wirtschaft. Die Welle scheint also noch weit entfernt zu sein und somit keine direkte Bedrohung für das Festland. Deiche und Dämme müssen also noch nicht errichtet werden. Die weitaus dringenderen Probleme sind in einer Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der privaten Kreditwirtschaft und einem herausholen Europas aus der Rezession zu sehen.

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